Resolution der 16 Landtagsfraktionen von CDU und CSU zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vom 27. Juni 2023 in Rostock
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk erreicht in Deutschland noch immer nahezu die gesamte Bevölkerung und ist damit unverändert von hoher Relevanz. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkangebote sind Umfragen zufolge diejenigen Medien, die am meisten Vertrauen und Glaubwürdigkeit genießen.
Aber dieses Vertrauen schwindet. Die Kritik an Strukturen und Kosten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, aber auch an Defiziten bei Qualität, Ausgewogenheit und Meinungsvielfalt in seinen Programmangeboten wächst. Der digitale Wandel der Mediennutzung schreitet rasant voran, Effektivität und Reformfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten leiden dagegen an Erblasten aus der Vergangenheit und an historisch gewachsenen Strukturen, die heute niemand mehr so schaffen würde. Den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten drohen Teile der Bevölkerung, insbesondere in der jüngeren Generation, verloren zu gehen. Sie stehen in einem herausfordernden Wettbewerb mit den globalen Digitalkonzernen. Gleichzeitig klagen private Medien über eine Gefährdung ihrer Geschäftsmodelle durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Nicht erst die Skandale beim rbb rund um dessen frühere Intendantin haben daher deutlich gemacht: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk braucht weiterhin entschlossene und konsequente Reformen, um zukunftsfähig zu bleiben und seine Akzeptanz in der Bevölkerung zu bewahren bzw. wieder zu stärken. Politik und die Rundfunkanstalten haben bereits Reformen angestoßen, dieser Kurs muss konsequent weiter vorangetrieben werden. Ein von der Allgemeinheit finanzierter Rundfunk wird auf Dauer nur fortbestehen können, wenn er sich auf möglichst breite gesellschaftliche Akzeptanz stützen kann.
In dieser Situation wollen wir Folgendes festhalten:
1. Unser Land braucht einen starken finanziell unabhängigen öffentlich-rechtlichenRundfunk, der unabhängig vom Verbreitungsweg qualitativ hochwertige Inhalte zur Verfügung stellt, der durch faktenorientierte Informationen und eine korrekte, umfassende, neutrale und unabhängige Berichterstattung über sämtliche gesellschaftsrelevanten Themen zur politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Bildung und Teilhabe der gesamten Gesellschaft beiträgt und der die föderale und regionale Vielfalt Deutschlands in Stadt undLand abbildet. Wichtig ist, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunkunterschiedliche Sichtweisen umfassend transportiert. Der öffentlich-rechtlicheRundfunk hat eine höchstrichterlich zugewiesene Bestands- undEntwicklungsgarantie und muss ein Programm anbieten, mit dem die gesamteBandbreite der Bevölkerung erreicht werden kann. Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der gesellschaftliche Relevanz und Vertrauen genießt und in der Gesellschaft verankert ist, trägt angesichts digitaler Filterblasen, gezielter Desinformationskampagnen und der Meinungsmacht internationaler Hightech-Konzerne und deren Algorithmen wesentlich zu einer stabilen Demokratie in Deutschland bei. Darüber hinaus hat er sich als eine der beiden Säulen des dualen Rundfunksystems bewährt und bleibt auch bei zunehmender Bedeutung von Internetangeboten eine wichtige Voraussetzung für eine starke Medienlandschaft in Deutschland. Es sind daher Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu stärken.
2. Als Reaktion auf die Vorgänge beim rbb haben die Ministerpräsidenten derLänder zusätzliche Regelungen zur Verbesserung der Transparenz, zurStärkung der Compliance und für eine effektivere Gremienaufsicht beschlossen.Diese Maßnahmen werden unterstützt und sollten von den Rundfunkanstaltenzügig und konsequent umgesetzt werden.
3. In den Rundfunkstaatsverträgen fehlt es bislang an der Vorgabe einesOrientierungsrahmens im Hinblick auf die Höhe des vom Verwaltungsrat zubeschließenden Entgelts für Intendanten und sonstige außertariflich beschäftigteMitglieder der Geschäftsleitung der Anstalten. Wir halten hier eine Orientierungam Vergütungssystem des öffentlichen Dienstes für Spitzenpositionen fürsachgerecht.
4. Die Aufsichtsgremien müssen eine wirksame interne Kontrolle sicherstellen undgegenüber der Öffentlichkeit Transparenz über die Erfüllung ihresKontrollauftrages gewährleisten. Bei der Zusammensetzung der Rundfunkrätesoll künftig stärker Wert auf deren Qualifizierung gelegt werden. Darauf ist auchbei der Entsendung seitens der gesellschaftlich relevanten Gruppen zu achten.Aber auch die externen Prüfungen der Anstalten durch die Rechnungshöfesollten sich nicht nur auf ausgewählte Bereiche beschränken, sondern sich inregelmäßigen Abständen auf deren gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführungerstrecken. Gleichwohl bleibt festzuhalten: Eine funktionierende Aufsicht, dieEinhaltung von anerkannten Compliance-Standards sowie der sparsame undwirtschaftliche Umgang mit Beitragsmitteln sind noch längst keine Reform,sondern Selbstverständlichkeiten, die die Bürgerinnen und Bürger zurecht vonöffentlich finanzierten Anstalten erwarten können.
5. Notwendig ist eine grundlegende Reform bei Inhalten und Strukturen: DieAngebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks müssen einen Mehrwert für dieGesellschaft bieten, den andere Medien in dieser Form und Breitenwirkung nichtabdecken können. Nicht jede Rundfunkanstalt kann und muss alles selbstanbieten und überall präsent sein. Angesichts begrenzter Ressourcen bedarf eseiner Fokussierung auf den Kernauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks,eine verlässliche und qualitativ hochwertige Grundversorgung der Bevölkerung mit Information, Bildung, Beratung und Kultur. Diese kann auch mit weniger linearen Fernseh-Programmen, weniger Hörfunksendern, weniger Mediatheken, weniger Websites und weniger Social-Media-Kanälen als bisher gewährleistet werden.
6. Mit dem 3. Medienänderungsstaatsvertrag haben die Aufsichtsgremien denAuftrag erhalten, über verbindliche Richtlinien inhaltliche und formaleQualitätsstandards für die programmliche Arbeit festzulegen und zu überprüfen.Ebenso wichtig ist es aber, dass die Rundfunkanstalten und derenGeschäftsleitungen bestehende und neue Programmangebote selbstkritischeiner systematischen Prüfung unterziehen und dabei insbesondere dievorgelagerte Frage klären, inwieweit ein bestimmtes Angebot überhaupt zumöffentlich-rechtlichen Auftrag gehört, inwieweit es einen tatsächlichen Bedarfdafür gibt, den nicht andere Anbieter bereits abdecken, ob das Angebot qualitativauch tatsächlich zum publizistischen Wettbewerb beiträgt und ob der jeweiligefinanzielle Aufwand gerechtfertigt ist.
7. Notwendig ist darüber hinaus eine möglichst umfassende Kooperation, eineErweiterung der Gemeinschaftsaufgaben und eine effektive Arbeitsteilung – nichtnur innerhalb der ARD, sondern auch unter Einbeziehung von ZDF undDeutschlandradio. Nicht jede Arbeitsteilung, die sinnvolle Synergien schafft bzw.zum Abbau aufwändiger Doppelstrukturen beiträgt, darf pauschal mit demArgument eines notwendigen publizistischen Wettbewerbs abgelehnt werden.Bei der Verschlankung der Strukturen durch die Hebung und Nutzungvorhandener Spielräume für Einsparungen erwarten wir deutlich mehrEigeninitiative und Engagement von den Rundfunkanstalten selbst. Wer dieGrundstruktur der öffentlich-rechtlichen Sender im Kern bewahren will, für dengilt umso mehr die „Pflicht“ zur Zusammenarbeit.
8. Wir begrüßen daher die Planungen innerhalb der ARD, journalistischeKompetenzzentren zu bilden, die bei übergreifenden Themen Inhalte für allebereit stellen, sowie gemeinsame Mantelprogramme zu entwickeln, die derregionalen Berichterstattung aus den Ländern weiterhin ausreichend Platzeinräumen. Erst recht gilt dies für eine stärkere Zentralisierung undHarmonisierung bei IT, Produktionstechnik und Verwaltung, bei denen es nichtauf ein bestimmtes regionales Profil, sondern allein auf eine effiziente undkostengünstige Erledigung ankommt. Diese Pläne sollten rasch und konsequentumgesetzt werden. Auch die Strukturen bei den Gemeinschaftseinrichtungen undTochtergesellschaften von ARD und ZDF müssen auf den Prüfstand. Dabei istauch zu prüfen, ob die wirtschaftliche Tätigkeit von Tochtergesellschaften bzw. -firmen überhaupt mit dem Programm- und Rundfunkauftrag von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vereinbar ist.
9. Wir begrüßen die neuen Möglichkeiten, die der Medienstaatsvertrag zurFlexibilisierung von Programmangeboten bietet. Diese Möglichkeiten, nicht mehrdirekt gesetzlich beauftragte lineare Programme in Online-Angebote zuüberführen bzw. einzustellen, sollten auch genutzt werden. Jedoch dürfen dabeifür bestimmte Nutzergruppen, wie zum Beispiel vor allem ältere Generationen,keine Zugangsbarrieren geschaffen werden, indem die Vorzüge von linearenProgrammangeboten vernachlässigt bzw. ganz aufgegeben werden.
10. Die Zukunft liegt unbestreitbar in der digitalen Mediennutzung und daran müssendie öffentlich-rechtlichen Anstalten teilhaben können. Die Entwicklung einer gemeinsamen digitalen Plattform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist unverzichtbar, die die Vielzahl bestehender Online-Portale von ARD und ZDF ersetzt und perspektivisch alle Public-Value-Inhalte zentral bündeln und fürNutzerinnen und Nutzer zugänglich machen soll. Der Anspruch kann aber nichtsein, einen zu Netflix und Amazon konkurrenzfähigen Streamingdienstaufzubauen.
11. Presseähnliche Berichterstattung darf jetzt und auch künftig nicht Sache desöffentlich-rechtlichen Rundfunks sein. Die Einhaltung dieser Grenze ist eineExistenzfrage für viele private Medien und muss im Fokus der Medienpolitikbleiben.
12. Zur Grundversorgung gehören aus unserer Sicht wegen ihrer gesellschaftlichenRelevanz und Breitenwirkung grundsätzlich auch künftig die Bereiche Sport undUnterhaltung. Allerdings sind die Rundfunkanstalten hier ebenfalls zur Wahrungeines besonderen öffentlich-rechtlichen Profils verpflichtet.
13. Grundvoraussetzung für die gesellschaftliche Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind journalistische Standards, wie Sorgfalt undObjektivität, sowie die Einbeziehung möglichst vielfältiger Themen undPerspektiven. Die Menschen brauchen verlässliche Informationen und diesachliche Aufbereitung von Themen für die eigene Meinungsbildung. Sieerwarten beispielsweise, dass die Lebenswirklichkeit in Stadt und Land und inder Breite der Bevölkerung gleichermaßen angemessen dargestellt wird. DieRundfunkanstalten sind gefordert, ihren Binnenpluralismus zu stärken sowieBerichterstattung und Kommentierung sorgfältig zu trennen. Sie sollten sichzudem an den natürlichen Sprachgebrauch und die geltenden Regelungen derdeutschen Rechtschreibung halten und eine Gendersprache vermeiden, die eherzur gesellschaftlichen Polarisierung als zur Integration beiträgt. In den neuenBundesländern ist ein stärkerer Vertrauensverlust in den öffentlich-rechtlichenRundfunk zu erkennen als in den westlichen Bundesländern. Ein besonderesAugenmerk sollte deshalb darauf liegen, hier die Akzeptanzwerte zu erhöhen.
14. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird in diesem Jahr voraussichtlich überFinanzmittel von mehr als zehn Milliarden Euro verfügen. Wir sind derAuffassung, dass sich der gesetzliche Auftrag des öffentlich-rechtlichenRundfunks damit umfassend erfüllen lässt. Aus heutiger Sicht erscheint eineAnhebung des Rundfunkbeitrages ab 2025 politisch nicht vermittelbar. DieRundfunkanstalten sind deshalb aufgerufen, ihre aktuellen beitragsrelevantenReformpläne möglichst schnell vorzulegen, damit sie im laufenden Verfahren zurErmittlung des Finanzbedarfs durch die KEF Berücksichtigung finden können.Das Ziel muss ein stabiler Rundfunkbeitrag über die aktuelle Beitragsperiodehinaus sein.
Für uns steht fest: Es geht um die Zukunftsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Deshalb begrüßen wir, dass sich der neu gegründete Zukunftsrat intensiv mit den Herausforderungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beschäftigt. Wir bekennen uns zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk und wollen dessen Alleinstellungsmerkmale – gerade auch in seiner regionalen Vielfalt – erhalten. Gerade deshalb treten wir für entschlossene und mutige Reformen ein, die die Akzeptanz und Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks langfristig sichern.