Die Landespolizei ist personell und technisch dazu befähigt, terroristische Lagen professionell zu bewältigen
Zum Abschlussbericht des 19. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Terroranschlag Halle erklärt Chris Schulenburg, Obmann der CDU-Landtagsfraktion von Sachsen-Anhalt:
„Aufgabe des Untersuchungsausschusses war es unter anderem zu klären, welche Personen und Institutionen eine mutmaßliche Fehleinschätzung der Gefährdungslage im Zuge des Terroranschlages zu verantworten haben sowie ob und weshalb es zu einer Herabsetzung der Gefährdungslage für jüdische Einrichtungen in Sachsen-Anhalt gekommen ist. Nach 14 Sitzungsterminen und nach Auswertung aller vorliegenden Akten kommt die CDU-Landtagsfraktion zu den folgenden wesentlichen Untersuchungsergebnissen:
- Die Überprüfung des Schutzes jüdischer Einrichtungen in Sachsen-Anhalt wurde durch das Ministerium für Inneres und Sport mehrfach veranlasst. Die Polizeibehörden wurden durch das MI wiederholt auf die Gefährdung jüdischer Einrichtungen hingewiesen, um das Problembewusstsein zu schärfen. Die Erlasslagen des MI wurden in der Polizeidirektion bzw. der Polizeiinspektion Halle ordnungsgemäß umgesetzt.
- Die polizeiliche Gefährdungseinschätzung zum Anschlagszeitpunkt sah keine konkrete oder erhöhte Gefahr eines Anschlags gegen die Jüdischen Gemeinden in Sachsen-Anhalt. Alle Verantwortlichen bezogen sich auf die allgemeinen Gefährdungsaussagen aus dem BKA-Lagebild und die erweiternden Gefährdungseinschätzungen des LKA. Regionale Verschärfungen für die Stadt Halle (Saale), resultierend aus der Analyse von antisemitischen Straftaten, lagen nicht vor. Auch seitens der Jüdischen Gemeinde zu Halle wurde keine besondere Gefährdung gesehen.
- Im Fall des Zusammenwirkens von Polizei und Jüdischer Gemeinde in Halle (Saale) gab es zwischen den Beteiligten keine offenkundigen Differenzen. Der Schutz des jüdischen Lebens stand im Fokus der Polizei, auch der Leitungsebene, die regelmäßig Kontakt zu dem Vorsitzenden der Gemeinde suchte. Die Kontaktpflege der Polizeidirektion bzw. Polizeiinspektion Halle mit der Gemeinde Halle zu allgemeinen und besonderen Schutzmaßnahmen ist auch nach der Aktenlage regelmäßig erfolgt. Es war geübte Praxis, sich im Vorfeld von Veranstaltungen mit der Jüdischen Gemeinde abzustimmen. Erforderliche Schutzmaßnahmen wurden nach eigener Lagebeurteilung durchgeführt.
- Die Einschätzung der Gefährdungslage hat nicht dazu geführt, dass es zu einer Herabsetzung der Schutzmaßnahmen kam. Weder polizeilich noch mangels entsprechender Anfragen aus der Jüdischen Gemeinde wurde das Erfordernis einer polizeilichen Begleitung des Gottesdienstes am Jom Kippur gesehen. Nach dem Anschlag erfolgte eine Erhöhung der Schutzkategorie mit der Folge einer ständigen polizeilichen Anwesenheit an der Synagoge.
- Die Landespolizei ist personell und technisch dazu befähigt, terroristische Lagen gut zu bewältigen. In den Jahren 2016 und 2017 erarbeitete das Ministerium für Inneres und Sport mit Vertretern der Polizeibehörden und -einrichtungen ein grundlegendes Erstinterventionskonzept für sogenannte lebensbedrohliche Einsatzlagen. Die Landeskonzeption für lebensbedrohliche Einsatzlagen (Führungs- und Einsatzkonzeption, terroristische Einsatzlagen inklusive Besonderer Aufbauorganisation, Erstinterventionskonzept) wurde den Polizeidienststellen zum Dienstgebrauch zugeleitet.
- Die Konzepte zur Prävention, Verhinderung und Bewältigung von Amoklagen und terroristischen Anschlägen sind hinreichend in die Aus- und Fortbildung der Landespolizei impliziert. Die Landespolizei ist für die Themenfelder Antisemitismus und interkulturelle Kompetenz sensibilisiert und die Vermittlung von diesen Kenntnissen ist Bestandteil der Ausbildung unserer Polizistinnen und Polizisten in Sachsen-Anhalt.
- Die im Einsetzungsbeschluss behauptete ‚…zunehmend judenfeindliche Stimmung…‛ konnte durch die vorgelegten Daten und die Aussagen der polizeilichen Zeugen und der Vertreter der jüdischen Gemeinschaft nicht belegt werden.
- Der Täter von Halle radikalisierte sich im Internet im weitgehend anonymen Konzert von Gleichgesinnten. Er lebte weitgehend abgekapselt, isoliert vom realen Leben. Sein Umfeld ließ ihn dabei gewähren. Für die Sicherheitsbehörden stellt dieser Tätertypus ein Problem dar, da er nach den klassischen Bewertungsrastern im Vorfeld der Tat nicht durch breite Aktivitäten auffällt und Ansätze für weitere Ermittlungen bietet.
- Die vom Ausschuss vernommenen Zeugen, die sich während des Anschlags in der Synagoge befunden haben, haben ihre Erfahrungen vom Einsatztag geschildert und ein desaströses Bild über die polizeiliche Arbeit gezeichnet. Die geäußerten Anschuldigungen im Zusammenhang mit dem Auftreten der Polizei konnten durch die vernommenen Zeugen aus dem Polizeidienst mit polizeilichen Erklärungen, die mit technisch-organisatorischen oder taktischen Einsatzfragen sowie mit priorisierten Aspekte der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung zusammenhängen, plausibel entkräftet werden. Die einsatzbegleitende Betreuung von Betroffenen muss bei zukünftigen Einsatzlagen noch stärker im Polizeifokus stehen.
Der von der AfD-Fraktion beantragte Untersuchungsausschuss war nicht notwendig, da die Landesregierung alle Fraktionen und die Öffentlichkeit umfassend informiert hat. Es freut uns sehr, dass sich die Koalitionsfraktionen im Landtag auf einen gemeinsamen Abschlussbericht verständigen konnten. Selbst die AfD-Fraktion muss in ihrem Sondervotum eingestehen, dass der Polizeieinsatz am 9. Oktober 2019 keine wesentlichen Schwächen in Bezug auf die vorbereiteten Planungen, die Stabsarbeit, die Koordination, die Logistik und die Handlungsweisen der Einsatzkräfte hat deutlich werden lassen. Die LINKEN haben es nach über einem Jahr intensiver Ausschussarbeit nicht geschafft, ein eigenes Votum auf den Weg zu bringen, obwohl sie unzählige Pressemitteilungen zum Terroranschlag von Halle veröffentlicht haben. Die Enthaltung der LINKEN bei der Abstimmung zum Abschlussbericht grenzt schon an Arbeitsverweigerung.“