Deutschland ist ein verlässlicher und friedlicher Partner der Welt geworden
Aktuelle Debatte zum Thema: Weltfriedenstag 1. September – Mahnung und Auftrag zugleich
– Es gilt das gesprochene Wort. –
Rede des Vorsitzenden der CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, Siegfried Borgwardt:
„Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren,
mit dem Weltfriedenstag am 1. September wird jährlich an den Beginn des Zweiten Weltkrieges nunmehr vor 77 Jahren erinnert.
Deutschland hatte den in der Geschichte der Menschheit grausamsten Krieg ausgelöst. Europa und Teile Asiens und Afrika lagen in Schutt und Asche. Millionen Menschen aus den Völkern der Welt waren diesem Krieg zum Opfer gefallen. Sei es nun, weil sie als Soldaten auf dem Schlachtfeld verblutet sind, als Zivilisten bei Bombenangriffen ums Leben kamen, als Gefangene in Lagern verhungerten, als Flüchtlinge geschändet und auf dem Weg erfroren oder aber der Vernichtungsaktion zum Opfer gefallen waren. Unzählige Menschen hatten ihre Angehörigen, ihre Freunde, und ihre Heimat verloren. Unzählige kamen aus den Kriegsgefangenenlagern oder traten den Weg dorthin an. Die Krematorien und die verkohlten Ruinen verbreiteten ihren Gestank über einen Großteil der Welt. Die Seelen der Menschen waren voller Leid, Angst, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit.
Heute – deutlicher als vor 77 Jahren – wissen wir Deutschen, dass das Verderben von Deutschland ausging. Theodor Heuss sprach einmal treffend von der Kollektivscham als Grundgefühl. Obwohl die Meisten von uns zur damaligen Zeit noch gar nicht geboren waren, mahnt es uns unablässig. Uns wurde eine schwere Erbschaft hinterlassen, welche wir nicht ausschlagen können. Vergangenheit kann man nicht ungeschehen machen. Man kann aber vor ihr nicht die Augen verschließen, ohne für die Gegenwart zu erblinden. Die Blindheit der Gegenwart und die damit verbundene Ignoranz bergen neue Gefahren.
Uns Deutschen sind nach dem Krieg die Hände der Mitmenschlichkeit gereicht worden. Man gab uns eine Chance. Viele hatten Vorstellungen und Träume von einer neuen, besseren Welt. Niemand konnte jedoch wissen, ob diese Vorstellungen und Träume jemals umgesetzt werden können. Wir Deutschen haben die Chance für einen Neubeginn genutzt. Es gelang der Wiederaufbau und dies nicht zuletzt, weil die Integration von Unzähligen Flüchtlingen und Vertriebenen gelang. Für das schwere Schicksal der Flüchtlinge und Vertriebenen fehlte damals den Einheimischen oftmals das Verständnis. Die Parallelen in die heutige Gegenwart sind unverkennbar. Entgegen so manchen Erwartungen erwiesen sich die Vertriebenen und Flüchtlinge rückblickend weder als soziales noch als politisches Risiko, im Gegenteil. Die Flüchtlinge und Vertriebenen haben sich seinerzeit zum Gewaltverzicht bekannt. Dieses Bekenntnis hat bis jetzt seine Gültigkeit behalten. Auch heute ist das Bekenntnis der Kriegsflüchtlinge oder Asylsuchenden zu unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung, zu unserem Grundgesetz und zum respektvollen Umgang mit unseren kulturellen Werten unverzichtbar für ihre Integration.
Damals wie heute, bedeutet Gewaltverzicht, das Vertrauen wachsen zu lassen. Deutschland schloss sich der Gemeinschaft friedlicher Völker aus voller Überzeugung an und wurde ein geachtetes Mitglied der Gemeinschaft. Den Geist der Demokratie, der Gewaltenbeschränkung und vor allem der Menschenrechte sind für uns Deutsche verinnerlichte Grundwerte. Bei der Mehrheit der Deutschen haben totalitäre bzw. autoritäre Ideen keine Chance. Die Demokratie steht auf starken Beinen. Ich wüsste keine bessere Grundlage für die Zukunft.
Deutschland ist ein verlässlicher und friedlicher Partner der Welt geworden.
… und so soll es bleiben …
Deutschland ist in den letzten 77 nicht nur friedlich geblieben, es ist zu Freiheit und Wohlstand gekommen. Wir sollten dafür dankbar sein. Viele Völker beneiden uns darum.
Es ist die Pflicht Deutschlands und Europas auch anderen dabei zu helfen, dass sie eine vergleichbare Entwicklung nehmen. Damit Krieg, Gewalt, Hunger und Not in der Welt überwunden werden können. Es ist jedoch ebenso unsere mitmenschliche Schuldigkeit, unsere Errungenschaften auf andere zu erweitern. Die fast acht Jahrzehnte, die wir nun in Frieden, Freiheit und Wohlstand gelebt haben, verpflichten uns in besonderer Weise.
Diese Politik bedroht auch niemanden. In der Menschheitsgeschichte haben Frieden, Freiheit und Wohlstand keinen bedroht. Ganz im Gegenteil! Schaffen wir eine Ausweitung des Wohlstandes auf andere Völker, so gibt es keinen Grund für diese, ihre Heimat zu verlassen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, viele Menschen, die evangelische und die katholische Kirche, um nur einige Beispiele zu nennen, haben sich um Aussöhnung und Verständigung unter den Völkern bemüht, wie im Rahmen der Aktion Sühnezeichen oder den Schüleraustausch zwischen Deutschland und Polen oder mit israelischen Schülern. Um nur zwei Bundeskanzler zu nennen, Willy Brandt mit seinem unvergessenen Kniefall in Warschau oder Helmut Kohl, kurz nach dem Fall der Mauer 1989, mit seiner demonstrativen Umarmung des polnischen Premierminister Tadeuz Masowiecki in Schlesien. Frieden, Freiheit und Wohlstand auf andere Völker auszuweiten, ist keine schlichte Vision. Es ist machbar.
Dass sich uns Probleme und Hindernisse in den Weg stellen, darf uns ebenso nicht entmutigen, wie die Befürchtung, dass es einen vollen Erfolg nicht geben wird. Meine Damen und Herren, an dieser Stelle möchte ich kurz auf den Antrag der Linksfraktion eingehen. Manche erinnern sich vielleicht noch an die Stationierung von Raketen in der Bunderepublik im Rahmen des Natodoppelbeschlusses. Und der Stationierung von sowjetischen SS20 u.a. auf dem Gebiet der DDR. Das eine war eine Kriegs- das andere eine Friedensmaßnahme – Jedenfalls nach DDR Propaganda. Und wer dies anders sah musste mit Repressalien, bis hin zur Inhaftierung, rechnen. Damals war das Wort vom bewaffneten Frieden in aller Munde. Beide Seiten sprachen jeweils der anderen genau diese Begründung aber ab. Verfallen wir nicht wieder in diese einfachen Betrachtungsmuster.
Wilhelm Busch hat vor 116 Jahren, eine zutreffende Fabel geschrieben:
Ganz unverhofft, an einem Hügel,
sind sich begegnet Fuchs und Igel.
„Halt“, rief der Fuchs,“du Bösewicht“!
Kennst du des Königs Ordre nicht?
Ist nicht der Friede längst verkündet,
und weißt du nicht, daß jeder sündigt,
der immer noch gerüstet geht?
Im Namen seiner Majestät,
Geh her und übergib dein Fell!
Der Igel sprach: „Nur nicht so schnell!
Lass die erst deine Zähne brechen,
dann wollen wir uns weitersprechen“.
Und all sogleich macht er sich rund,
schließt seinen dichten Stachelbund
und trotzt getrost der ganzen Welt,
bewaffnet, doch als Friedensheld.
Solange der Terror und die Kriege der jüngsten Zeit in hohen Maße auch uns bedrohen, benötigen wir die Bundewehr und sie ihre Truppenübungsplätze um ihre Technik und die Einsatzbereitschaft ständig auf angemessenen Niveau zu halten. Wir lehnen den Antrag der Linksfraktion ab. Aber aufgrund der allgemeinen Vereinbarungen im Koalitionsvertrag wird der Antrag überwiesen.
Wir haben aus unserer Geschichte gelernt, wozu Menschen fähig sind. Nur dem Irrglauben, dass der Mensch besser geworden sei, dürfen wir uns nicht hingeben. Lassen sie es mich mit den Worten Richard von Weizsäckers sagen:
„Es gibt keine endgültig errungene moralische Vollkommenheit – für niemanden und kein Land! Wir haben als Menschen gelernt, wir bleiben als Menschen gefährdet. Aber wir haben die Kraft, Gefährdungen immer von neuem zu überwinden. Hitler hat stets damit gearbeitet, Vorurteile, Feindschaften und Hass zu schüren. Neue Gefahren für eine Ansteckung sind größer als je zuvor. Seien sie nicht blind. Die Bitte an die Menschen in unserem Land lautet:
Lassen Sie sich nicht hineintreiben in Feindschaft und Hass gegen andere Menschen, gegen andere Völker, gegen Alternative oder Konservative, gegen Schwarz oder Weiß. Lernen Sie, miteinander zu leben, nicht gegeneinander. Lassen Sie auch uns als demokratisch gewählte Politiker dies immer wieder beherzigen und ein Beispiel geben. Ehren wir die Freiheit. Arbeiten wir für den Frieden. Halten wir uns an das Recht. Dienen wir unseren inneren Maßstäben der Gerechtigkeit.“
Diese Worte haben mehr als 30 Jahre später nichts an ihrer Aktualität verloren, und ihnen gibt es nichts hinzuzufügen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.“