Rotter/Steppuhn: Langzeitarbeitslose Menschen brauchen Perspektiven in unserem Land
Die beiden arbeitsmarktpolitischen Sprecher der Koalitionsfraktionen im Landtag Andreas Steppuhn (SPD) und Peter Rotter (CDU) haben gemeinsam an die CDU/SPD-geführte Bundesregierung appelliert, die Rahmenbedingungen für einen Sozialen Arbeitsmarkt, der sich am Gemeinwohl orientiert, zu schaffen. Diesbezüglichen Aussagen im Koalitionsvertrag müssen Taten folgen.
Steppuhn, auch Landesvorsitzender der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA), und Rotter, auch Landesvorsitzender der Christlichen Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), betonten, dass es nach dem Auslaufen der so genannten Bürgerarbeit dringend gesetzlicher Änderungen auf Bundesebene bedürfe, um auch langzeitarbeitslosen Menschen, die kaum eine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt haben, Beschäftigungsperspektiven aufzuzeigen.
Auch wenn sich 25 Jahre nach den Mauerfall der Arbeitsmarkt in Sachsen-Anhalt mit einer Arbeitslosenquote unter 10 Prozent viel besser darstelle als in den letzten 20 Jahren, habe man es dennoch mit einer verfestigten Langzeitarbeitslosigkeit zu tun, mit der man sich auseinandersetzen müsse.
Aktuell seien im Land Sachsen-Anhalt knapp 30.000 Menschen langzeitarbeitslos und hätten seit mehreren Jahren keinen Arbeitsplatz mehr. Man dürfe auch diese Menschen nicht zurücklassen, die aus den verschiedensten Gründen kaum noch eine Chance haben, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.
Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren muss das perspektivische Ziel sein. Der wichtigste Baustein ist es, zukünftig, den sogenannten Passiv-Aktiv-Transfer zu ermöglichen. Das heißt, dass auch ein Einsatz bisher passiver Leistungen wie der Regelbedarf und Kosten der Unterkunft (KdU) aktiv eingesetzt werden. Dieses wird die Hauptstellschraube sein. Daher bedarf es an dieser Stelle gesetzlicher Veränderungen, die auf den Weg gebracht werden müssen.
Andreas Steppuhn erklärte: „Es ist unsere Pflicht, uns auch um die Menschen zu kümmern, die realistisch gesehen keine Chance mehr auf einen Arbeitsplatz haben, aber dennoch Bereitschaft dazu zeigen, Verantwortung in unserer Gesellschaft zu übernehmen und auch Leistung zu erbringen.“
Peter Rotter: „Unser Ziel muss es sein, Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass auch langzeitarbeitslose Menschen die Chance bekommen, durch Arbeitsmarktintegration in Würde am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.“
„Nach dem Auslaufen der Bürgerarbeit brauchen wir Nachfolgeprogramme“, so Steppuhn und Rotter. „Das von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) jüngst vorgestellte Konzept zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit ‚Chancen eröffnen soziale Teilhabe sichern‘ ist ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung, löst aber bei weitem nicht die Probleme. Klar ist auch, dass der Bund auch bei der Finanzierung eines sozialen Arbeitsmarktes in der Pflicht sei. Hier sollten wie bei der Finanzierung der Bürgerarbeit die Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds kommen, die der Bund zur Verfügung hat.“
Als Eckpunkte für einen sozialen Arbeitsmarkt werden vorgeschlagen:
1. Im Rahmen des Fördermodells „Sozialer Arbeitsmarkt“ soll analog und in Ergänzung zur ESF-Programmaktivität zusätzliche sozialversicherungspflichtige Beschäftigung für Langzeitarbeitslose geschaffen werden.
2. Als Zielgruppe gelten langjährige Arbeitslose (mindestens zwei Jahre kumulierte Arbeitslosigkeit) im SGBII, die auch bei guter Vermittlung und Förderung absehbar nicht in Erwerbsarbeit integriert werden können. Das kommt vor allem denjenigen Langzeitarbeitslosen zugute, für die es vor allem in strukturschwachen Regionen keine oder kaum Arbeitsplätze gibt bzw. die dauerhaft in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt sind.
3. Grundlage der Finanzierung des Ansatzes ist ein „Passiv-Aktiv-Transfer“. Bund und wenn möglich auch die Kommunen beteiligen sich dabei in dem Umfang, in dem passive Mittel eingespart werden, an der Ausfinanzierung. Statt Regelbedarf und Kosten der Unterkunft zu finanzieren, werden diese Leistungen als Zuschuss für eine bedarfsdeckende Beschäftigung und zur Finanzierung einer sozialpädagogischen Begleitung eingesetzt – also aktive Teilhabe statt passiven Empfangs der Mittel aus dem SGB II-System. Als Vorbild kann hierfür der BEZ (Beschäftigungszuschuss / Zuschuss nach § 16e SGBII in Höhe von bis zu 75% des berücksichtigungsfähigen Entgelts aus dem Eingliederungsbudget des Bundes) herangezogen werden. Ergänzend können die Länder Integrationsmittel bzw. Mittel ihrer Landesprogramme des sozialen Arbeitsmarktes einsetzen. Dies kann z. B. im Zuge eines monatlichen Pauschalzuschusses zum Kostenaufwand (bzw. zur Betreuungspauschale) erfolgen.
4. Die Arbeitszeit soll an die individuelle Situation angepasst werden; sie kann im Regelfall rund 30 Wochenstunden betragen.
5. Die Annahme solcher Beschäftigungsverhältnisse ist freiwillig.
6. Mit einer „Beiratsstruktur“ soll dafür gesorgt werden, dass das Jobcenter in Fragen der Betreuung und Vermittlung von Langzeitarbeitslosen unterstützt und die Zusammenarbeit mit den Beteiligten des örtlichen Arbeitsmarktes abgestimmt wird.
7. Die Durchführung erfolgt als Bundesprogramm mit eigenem Haushaltsansatz. Die Jobcenter entscheiden im lokalen Konsens mit den Arbeitsmarkt- und Sozialakteuren über eine Programmteilnahme.