Schröder: Profilierung durch Provokation
„Die Koalition in Sachsen-Anhalt hat in der sechsten Wahlperiode ein hohes Tempo vorgelegt. Neben zahlreichen Antragsinitiativen wurden bereits 47 Gesetzesänderungen im Landtag beschlossen. Unser Arbeitstakt liefert dabei wenig Raum für Schlagzeilen, ganz im Gegenteil zur Opposition. Sie rückt nach links. Vor allem die Grünen sorgen mit ihrem Verständnis von „politischer Kultur“ für Gesprächsstoff.
Natürlich kann, wie andernorts auch, über Verfassungsschutzbehörden und die Extremismus-Klausel bei der Förderung von Initiativen gegen Rechtsextremismus gestritten werden. Auch, wenn es um die individuelle Kennzeichnung von Polizisten in geschlossenen Einsätzen geht.
Auffällig bei dieser Form gelebter Demokratie ist aber das Maß an kalkulierter Grenzüberschreitung. Die Strategie könnte lauten: „Profilierung durch Provokation“. Schriller und lauter soll es zugehen – bei sonst geringer Überzeugungskraft. Im World Wide Web werden Abgeordnete der Koalition schon mal als Lügner oder Machos betitelt. Und gibt es einen Konsens im Kampf gegen Rechtsextremismus, dann sind die Grünen die Ersten, die ihn mit dem Hinweis aufkündigen, noch ein bisschen mehr dagegen zu sein.
Die Form der Artikulation scheint dabei den kritisch bürgerlichen Reflex einzukalkulieren. Was in der Energiedebatte mit der Vokabel „Klimakiller“ für den Energieträger Braunkohle zaghaft beginnt und sich in der Verkehrspolitik mit der Reduzierung von Infrastruktur auf Radwege und Internet steigert, wird in der Innenpolitik auf die Spitze getrieben. Besonders der Abgeordnete Sebastian Striegel tobt sich hier aus. Das Asylbewerberleistungsgesetz wird als Beleg für eine „rassistische Gesetzgebung“ in Deutschland gesehen, der Verfassungsschutz wird als antiquierte Schlapphutbehörde aus der Zeit des Kalten Krieges demontiert. Mit kindischer Freude wird zum Regierungswechsel in Niedersachsen kommentiert, dass der „Abschiebeminister“ nunmehr selbst aus dem Landtag abgeschoben sei. Als wegen der Wohnortwahl ehemaliger Straftäter besorgte Einwohner im Altmarkort Insel von Linksextremisten als Mob diffamiert wurden, war das vom Recht auf Meinungsfreiheit abgedeckt. Nicht so tolerant ist Striegel mit der Polizei. Als parlamentarischer Sittenwächter bei jeder Demonstration die Einsatzkräfte kontrollierend, wird er gern zum Chefankläger erfolgreicher Polizeistrategien zur Gewaltverhinderung. Schließlich muss eine Aktion gegen Rechtsextremismus auch sicht- und hörbar sein, Blockaden und Sachbeschädigung in Kauf nehmend. Eine datenschutzrechtlich abgelaufene Frist zur Aufbewahrung personenbezogener Akten wird schon mal in die bewusste „gesetzeswidrige Aktenvernichtung“ zur Verschleierung behördlichen Versagens umgedeutet. Herr Striegel agiert dabei nicht allein. Die grüne Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt beispielsweise unterstellt öffentlich jedem dritten Bürger im Osten latente Ausländerfeindlichkeit und Empfänglichkeit für Rechtsextremismus. Mediale Aufmerksamkeit ist ihr gewiss, denn lautstarker Protest macht daraus genau die Kontroverse, die sie zur öffentlichen Wahrnehmung braucht.
Ein Patentrezept als Reaktion auf derlei Aktionen hat die Fraktion noch nicht gefunden. Selbst die Bundespartei reagiert unterschiedlich. Vielleicht ist das Wissen um die eingangs erwähnte Strategie ein erster Anfang. Entzauberung und Enttarnung sowie Souveränität bei den eigenen Aktionen könnten eine Lösung sein.“